DISSONANCE
Als eigenständige Arbeit konzipiert, knüpft der neu produzierte Film DISSONANCE an Strafer’s Filmserie Loophole (seit 2023) an, ohne deren Erzählung unmittelbar fortzusetzen. Stattdessen zeigt er eine weitere Sphäre von Gerechtigkeit, indem er ein Gericht jenseits staatlicher oder religiöser Ordnungen imaginiert und dessen Bedingungen erneut hinterfragt.
Jordan Strafer holt einen Moderator in US-Uniform auf die Bühne, gespielt von Jim Fletcher. Nachdem dieser das Publikum begrüßt hat, führt er es anschließend durch eine Meditation, die die erste Kindheitserinnerung an Zuhause heraufbeschwört. Das erneute Auftreten Fletchers in DISSONANCE, der bereits den Verteidiger Ray in Loophole spielt, ist ein Beispiel dafür, wie Strafer die Grenzen zwischen ihren Figuren auflöst, ein wiederkehrendes Verfahren, das ihr anhaltendes Interesse an Mehrdeutigkeit und Austauschbarkeit zeigt.
DISSONANCE wurde mit historischen analogen Fernsehkameras im Bildformat 4:3 gedreht und ahmt so die Bildsprache und Unmittelbarkeit des Fernsehens in den 1990er Jahre nach. Zusammen mit der gesteigerten Emotionalität des Publikums zitiert diese formale Entscheidung direkt The Oprah Winfrey Show, die zu dieser Zeit eine weit verbreitete Plattform für öffentliche Selbstoffenbarung und „gefühlte Rechtsprechung“ bot. Das Kostüm des Protagonisten, das sich im historischen Interieur von Fluentum dramatisch widerspiegelt, erinnert unterdessen an A Matter of Life and Death (1946), eine wichtige Referenz für die gesamte Loophole Serie. In diesem surrealen Gerichtsdrama über das Leben nach dem Tod, unter der Regie von Powell und Pressburger, führt ein bürokratischer Fehler im Himmel zu einer tragischen Liebesgeschichte zwischen einem britischen Soldaten, der zwischen Leben und Tod gefangen ist, und einer Frau auf Erden. Vor dem Hintergrund dieser Handlung kann auch DISSONANCE als ein inszenierter Gerichtssaal im Jenseits gesehen werden, der uns eine weitere Möglichkeit zur Reflexion über die Verschränkung von öffentlichem Urteil und individuellem Schicksal anbietet.
DISSONANCE wurde während der Eröffnung der gleichnamigen Einzelausstellung der Künstlerin bei Fluentum gedreht und während der Laufzeit zum ersten Mal als Teil der Ausstellung präsentiert.
Register (FL//098)
DISSONANCE
Jordan Strafer
2025
1/5+2 AP
1-Kanal-Video, Farbe, Stereo-Ton
720px x 576px, 12 Min. 43 Sek.